nuddel das Krokodil lebte vollkommen glücklich und zufrieden mit mir und meinen beiden Katzen, nachdem man ihn von der Beschuldigung, versucht zu haben, Herrn Hammel, den Busfahrer, fressen zu wollen, freigesprochen hatte. Lisa Marie kam jeden Tag nach
der Schule vorbei, um mit Knuddel zu spielen und ihn Gassi zu führen. Er war ein
bekannter Fernsehstar geworden mit seinem Tanzakt. Jeder mochte ihn und niemand glaubte
mehr, dass er gefährlich sei. Irgend jemand meinte sogar: „Knuddel würde keiner
Fliege etwas zu Leide tun.“ Das stimmte nun allerdings nicht, denn er saß häufig mit
weit geöffnetem Maul da, bis eine Fliege vorbeiflog und – KLACK – war sie
weg. Er schien Fliegen für fliegende Leckerbissen zu halten. Ich war sogar froh darüber, denn
ich brauchte nie wieder Insektenspray zu kaufen.
Sicher erinnerst du dich daran, dass Hunde vor kabombanischen grünen Krokodilen
nie sicher sind. Das war gut, denn nach der leidlichen Sache mit Schatzi, Frau
Brauns Chihuahua, taten alle Leute genau das, was sie sowieso tun sollten, nämlich ihre Hunde
an der Leine Gassi zu führen, statt sie frei herumlaufen und armen Miezekätzchen
nachjagen zu lassen.
Der Chihuahua von Frau Braun? Ja, jeder hatte das Vieh gehasst, weil es gehässig und bissig
war. Es kletterte Männern an den Hosenbeinen empor, um ihnen in die Nasen zu beißen,
jagte Katzen und kleine Kinder, hielt alle örtlichen Dobermänner in Angst und Schrecken
und schlich überall dort herum, wo es den Menschen Bange machen konnte. Aah, aber
eines Tages kam Schatzi an unserem Haus vorbei, als Knuddel gerade ein Sonnenbad nahm.
Der Chihuahua stürmte ihn bellend, knurrend und zähnefletschend an. Dann – KLACK – und es gab kein
Problem mehr mit einem bissigen Köter!
Frau Braun ging zur Polizei, aber Inspektor Sperrlinck erklärte ihr, sie habe das Gesetz
übertreten, weil sie das Biest frei herumlaufen ließ, und Knuddel habe einfach aus Selbstverteidigung gehandelt. Der Inspektor war der Vorsitzende vom Knuddel-Fan-Club
und Schatzi hatte sogar schon Polizisten gebissen.
Katzen waren ganz verrückt nach meinem grünen Krokodil und strömten aus der ganzen Umgebung herbei,
um schnurrend auf ihm in der Sonne zu sitzen. Sie wechselten sich damit ab,
ihn
zu waschen, so dass er wohl das sauberste Krokodil der ganzen Welt war.
Die Eigentümer der Katzen gaben Knuddel zur Belohnung viele Würste zu fressen, weil der übel
gesinnte Chihuahua nicht mehr ihre geliebten Kätzchen erschreckte. Die
Briefträger unseres Bezirks schenkten ihm 10 Kilogramm der besten Steaks. Frau Braun
zog nach Baden-Baden zurück, und seitdem hat man von ihr nichts mehr gehört.
Eines Tages fand ich im Briefkasten einen Brief vom Präsidenten von Kabomba.
Darin stand geschrieben …
Ein kostenloser Flug und die Gelegenheit, Knuddels Heimatland kennenzulernen?
Das war doch etwas! Doch war ich auch ein wenig beunruhigt, denn mein Haustier
könnte mir genommen werden. Doch es könnte natürlich auch sein, dass er sich in seiner Heimat glücklicher
fühlte.
Ich packte unser Gepäck zusammen, kaufte einen ganzen Karton mit Grünkohlkonserven, und am
übernächsten Tag saßen Knuddel und ich nebeneinander im Flugzeug, das uns an
unseren Bestimmungsort fliegen sollte: Kabombaland in Afrika.
Es war ein sehr langer Flug, doch wir wurden gut betreut. Leckeres gekochtes Essen
für mich und rohes Fleisch und rohen Fisch für Knuddel. Seine Verplegung wurde von Krokodilen serviert,
die als Hilfsbesatzung ausgebildet waren. Die menschliche Besatzung bestand
aus gutgelaunten, freundlichen Menschen, bei denen ich mich wohl fühlte.
Wenn alle Kabombaner so waren, würde dieses eine großartige Reise werden. Was
für ein Abenteuer!
Einige Zeit später wachte ich auf und sah aus dem Flugzeugfenster unter uns ein schönes,
grünes Land mit viel Wasser … Endlich Kabombaland! Als wir am Flughafen
ankamen, wartete dort eine große Menge Menschen auf uns, die deutsche und
sogar niedersächsische Fahnen schwenkten. Alle waren bunt gekleidet. Als ein kleines Mädchen uns aus dem Flugzeug steigen sah, setzte es
sich auf ein Krokodil und ritt heran. „Guten Tag! Sie müssen Reinhard sein. Herzlich
willkommen in Kabombaland! Ich bin Jennifer Kabomba, die Tochter des Präsidenten.
Sie werden bei uns im Palast wohnen … Vati möchte wissen, ob Sie den Grünkohl
mitgebracht haben. Er konnte leider nicht mitkommen, denn er ist anderweitig beschäftigt. Aber er wird Sie aber bald empfangen. Ich soll Sie zu uns nach Hause bringen.“
Dann schaute Jennifer Knuddel an … „Woo woyn, parra parra palas yo.“ Knuddel nickte mit seinem riesigen Kopf und legte sich flach auf den Boden. Jennifer befestigte
einen Sattel auf seinem Rücken und sagte zu mir: „Steigen Sie auf! Ich bringe Sie schnell nach Hause, damit Sie meine
Familie kennenlernen.“ Und ob Du es glaubst oder nicht, ich ritt auf Knuddels
Rücken durch die Straßen,
mein Gepäck und der Karton mit den Grünkohlkonserven hinter mir. Warum hatte ich vorher niemals an diese Möglichkeit gedacht? Wie viel Benzingeld hätte ich dabei sparen können!
Menschen winkten und jubelten, als wir an ihnen vorbeiritten und ich wusste sofort,
dass mir meine neuen dunkelhäutigen Freunde mit ihren willkommen heißenden
Lächeln wirklich sehr gefielen.
Die Häuser, an denen wir vorbeiritten, mochte ich sehr. Ich freute mich darauf, eingeladen zu werden, einige der Familien
zu besuchen, die darin wohnten. Wir kamen an einer Baustelle
vorbei, an der neue Gebäude entstanden und ich staunte nicht schlecht, als ich sah, wie Krokodile
eifrig zu den Maurern hinauf schlurften mit den Mäulern voll Ziegeln oder mit zementgefüllten Eimern, die ihnen an den Mäulern hingen. Die Tiere schienen tatsächlich Freude daran zu
haben, den Menschen beim Errichten der Gebäude zu helfen.
Es waren Märkte zu sehen mit herrlichem Obst und Gemüse, von dem ich etliche Sorten
vorher nicht einmal in Hamburg gesehen hatte. Überall herrschte ein Gefühl des
Glücks und des Wohlbehagens. Ich konnte keine Hunde entdecken, doch große, fette
Katzen gab es in rauen Mengen. Ich wusste, dass ich meinen Besuch in Kabombaland
genießen
würde, egal, was mit mir und Knuddel geschehen sollte.
Schließlich erreichten wir ein großes Gebäude, das umgeben war von einem
grünen, grasbedeckten Feld, auf dem ich viele umherstreifende Schafe entdecken konnte. „Wir
sind da“, lachte Jennifer. „Bald werden Sie meine Familie kennenlernen.“ Sogar
ohne Befehl blieb Knuddel neben ihrem Krokodil vor den Stufen des Palastes stehen.
Zwei Jungen und ein kleines Mädchen kamen uns entgegengelaufen. Jennifer erklärte:
„Dies sind meine Brüder Jung Hannes und Chris und meine kleine Schwester Amanda. Sie wollen Sie begrüßen. Treten Sie bitte ein. Sie müssen
erschöpft von der Reise sein.“
Oben an der Treppe stand eine Dame. Als ich oben ankam, umarmte sie mich ganz fest und sagte: „Ich bin Angelika, Jennifers Mutter. Sie sind in
unserem Haus herzlich willkommen. Bitte treten Sie ein und setzen sich.“ Ich dachte
an mein Gepäck, doch die beiden Jungen hatten sich bereits darum gekümmert.
Einer balancierte meinen Koffer auf dem Kopf, der andere den Karton mit den
Grünkohlkonserven. Amanda ging mit einem Eimer zu Knuddel und fütterte ihn daraus
mit Fisch. Danach rollte er sich auf den Rücken und sie kitzelte ihm den Bauch.
Jennifer führte mich zu meinem Zimmer. Ich fühlte mich müde und schmutzig nach der
langen Reise. Nach dem Duschen beschloss ich, mich einige Minuten hinzulegen.
Ich wurde von einem Mann aufgeweckt, der lachend rief: „Meinst du nicht, du
hast lange genug geschlafen, Reinhard? Das Abendessen wird in ungefähr einer
Stunde fertig sein.“ An der Tür stand ein großer lächelnder Afrikaner. Es war
Präsident Johannes Kabomba persönlich, und die Uhr zeigte an, dass ich tatsächlich ganze sechs
Stunden geschlafen hatte.
Sofort sprang ich auf. „Herr Präsident, ich …“ „Solche Höflichkeiten sind hier nicht
nötig, Reinhard, mein Freund. Ich bitte dich, es wie alle hier in ganz Kabombaland zu tun:
Sprich mich mit ‘Hannes’ und ‘du’ an!“ Er schüttelte mir warm die Hand, „Jetzt kannst du noch einmal duschen. Dann schicke ich
meinen Sohn Jung Hannes, um dich nach unten zu bringen.“
So geschah es, dass ich mich eine Stunde später mit meinem neuen Freund Hannes
und seiner Familie zu einem herrlichen Essen setzte und mich bereits wie ein
Familienmitglied fühlte. Angelika kochte und servierte das Essen persönlich und es war
einfach großartig. Zuerst aßen wir eine riesige Schüssel mit Grünkohl und Würsten. Alle waren sich darüber einig, dass es prima schmeckte. (Ich versprach, mehr
Dosen zu schicken, wenn ich wieder zu Hause wäre.) Als nächstes verputzten wir einen
schmackhaften würzigen Hammelfleisch-Eintopf, denn Schafe liefern den Kabombanern
Wolle und Fleisch. Die Fußböden aller Zimmer im Haus waren mit Schaffellteppichen
bedeckt. Allzu bald beendeten wir die Mahlzeit mit einer Mischung aus frischen
örtlichen Obstsorten. Die Kinder sangen einige Lieder vor und gingen dann zu
Bett. Hannes bat mich in sein Arbeitszimmer.
„Setz dich, Reinhard.“ Ich setzte mich also und begann mit meiner Erklärung: „Also, Hannes, die Sache mit
Knuddel …“ „Dazu haben wir später noch viel Zeit, Reinhard. Wir werden das in den kommenden
Tagen sicher regeln. Aber statt dessen erzähle mir doch bitte alles,
was sich bei euch ereignet hat, seit ich letztes Jahr abberufen
wurde, um Präsident zu werden.“ So brachte ich ihn hinsichtlich aller wichtigen
Angelegenheiten in Fintel, in Niedersachsen und in Hamburg auf den neuesten Stand.
Nach einigen Tassen hiesigen Kaffees war es Zeit, schlafen zu gehen. Trotz meines langen Schlafs am Tag schlummerte ich tief und fest.
Als ich am nächsten Morgen aufgestanden war, bereitete mir Angelika ein köstliches Frühstück zu,
das aus Pfannkuchen und frischem Obst bestand. Dann führten mich die Kinder
auf einen langen Spaziergang durch die Stadt. Alle Leute begrüßten mich mit Lächeln
und Händedrücken. Wie sehr mir dieses kleine Land gefiel! Aber ich würde dennoch
meinen Knuddel vermissen, wenn die Zeit für die Rückreise gekommen war.
Wir entfernten uns ziemlich weit von der Stadt und kamen an einen Fluss. Blumen wuchsen
dort am Ufer entlang. Die Kinder machten daraus Ketten, die sie uns um
den Hals hängten. Auf der anderen Seite des Flusses konnte ich überall schlecht gebaute,
schmutzige Häuser mit qualmenden Feuern sehen. „Das da drüben ist Eloidaland“,
erklärte Jennifer. „Wegen des Königs ist es ein ganz schlimmes Volk, und sie wollen
alle unsere Krokodile aufessen. Deshalb erlauben wir ihnen nicht auf diese Seite
zu kommen.“ Tatsächlich sah es nicht so aus, als sei das Wohnen dort sehr angenehm. Es schien keine Obstbäume und sehr wenig essbares Getreide zu geben. Magere
Kühe und Ziegen wanderten umher. Ich hörte keinerlei Gelächter über das
Gewässer zu uns herüber klingen. Wir entfernten uns eilig, um wieder unter
den fröhlichen Kabombanern zu sein. Dabei war uns nicht bewusst, dass wir von
listigen Augen aus den Sträuchern heraus auf unserer Seite des Wassers beobachtet
wurden.
Plötzlich sprangen mit wildem Geschrei sechs riesige Männer auf uns zu und fingen
an, die Kinder zu ergreifen. Ich versuchte verzweifelt, sie abzuwehren, wurde jedoch rasch
niedergeschlagen und gefesselt. Wir wurden in ein Kanu geschleppt, das am
Ufer verborgen gelegen hatte, und waren bald Gefangene in Eloidaland.
Die Kinder wurden in eine Hütte gedrängt und ich wurde an einen Baum gebunden. Dort wurde ich im glutheißen Sonnenschein stehen gelassen. Oh, der schreckliche Geruch dieses Orts – verfaulter Fisch und Kuhmist! Ärmlich aussehende Menschen versammelten sich um mich herum.
Sie drohten mir keine Gewalt an, standen einfach nur so da und schauten mich an, während
sie leise miteinander sprachen.
Eine Gruppe brutal aussehender Kerle drängte sich nun durch diese kleine Menschenmenge und
stand dann lachend und riesige Revolver schwenkend vor mir. Dann stolzierte der größte Mann, den ich jemals gesehen hatte,
auf mich zu. Er trug eine überaus reich verzierte Armeeuniform mit zahlreichen
Medaillen. “Hallo, du gefangen Mann. Du mich hier kucken!” schrie er mich
an, während er über mir emporragte. “Ich – ich is Großter von Große: König
Elo von Eloidien, und die da Männers is mein Polizeien. Oh, wie sie für mich
halten Ordnung mein dumm Volk, und jetz sie bringen mich ein groooß Geschenk:
Alle Kinders von schlechten Mann Johannes. Oh, jetz wir wolln ma sehn. Ja,
wir wolln ma!“
Dabei schwenkte er einen Revolver, der noch größer war, als die Revolver, die seine Polizisten mir
vors Gesicht hielten, „Was dich angeht, du solls mein Freun sein, oder sonst … Ich geb dich sehr große Arbeit für zu machen.“ Er schnatterte seine Gangster
in der dortigen Sprache an, und sie schnitten meine Fesseln entzwei. Dann gaben sie mir schmutziges Wasser in einem noch schmutzigeren Becher. Doch ich war so durstig, dass ich es dennoch trank. “Du, mein Freun, du
solls sein mein offizieller Bote. Du hörs?” Er stopfte einen Umschlag in meine
Hosentasche. Seine Männer fesselten meine Handgelenke, knebelten mich und verbanden
meine Augen. Was kam nun? “Du gehs zurück und gebs dies wichtige Brief zu Dumm
Johannes. Die Lebens von alle seine Kinders is futsch, wenn du nich tus.“
Ich bemerkte, dass ich in etwas hineingedrängt wurde, das sich daraufhin auf dem Wasser
bewegte. Irgendwann wurde ich wieder an Land geschoben. Dort löste man die Fesseln an meinen Handgelenken und ich wurde heftig auf
etwas Weiches geworfen, das dabei mein Gesicht zerkratzte. Ich entfernte rasch
die Augenbinde und stellte fest, dass ich in Sträucher auf dem kabombanischen
Flussufer geworfen worden war. Ich riss den Knebel heraus und ging unsicher
schwankend in die Stadt. Dort brachten mich einige Menschen rasch zum Präsidentenbüro.
„Du liebe Güte, Reinhard!“ schrie Johannes erschrocken. „Was ist passiert? Wo sind meine Kinder?“
Keuchend berichtete ich die Geschichte und legte ihm den Umschlag in die
zitternden Hände. Johannes las den Brief und reichte ihn mir dann. Er war sehr schlecht
geschrieben und hätte einen Lehrer sehr ziemlich verärgert. Es stand darin geschrieben …
Präsident Hannes war total entsetzt. „Ach, du Schreck, Reinhard! Was soll ich jetzt
machen?“ Doch die Schläge, die ich von König Elos Polizisten erhalten hatte, begannen
zu wirken. Bevor ich auf seine Frage antworten konnte, fiel ich zu seinen Füßen in
Ohnmacht. Ich erwachte in meinem Zimmer im Palast, wo ein Arzt meine Wunden reinigte
und
verband. Als ich so da lag, begann ich darüber nach zu grübeln, wie man die Kinder
retten könnte. Was könnte man anstellen? Bei diesen Gedanken sah ich umher und
blickte dabei zufällig auf die Schaffellteppiche auf dem Fußboden. Da kam mir
plötzlich eine großartige Idee. “Rufen Sie bitte sofort den Präsidenten”, bat
ich den Arzt.
Ein sehr beunruhigter Hannes setzte sich auf die Kante meines Bettes und berichtete: „Also,
Reinhard, es sieht tatsächlich so aus, als müsse ich die Forderungen dieses üblen
Königs annehmen. Es scheint keine anderen Möglichkeiten zu geben.“ „Die gibt
es aber doch“, antwortete ich. „Verkleide Knuddel einfach als Schaf und alles
wird gut.“ Hannes schaute mich tieftraurig an. „Ach, armer Reinhard! Die schrecklichen Schläge haben dein Gehirn getroffen. Wie
könnte ein riesiges Krokodil dazu gebracht werden, wie ein Schaf aus zu sehen?“
„Ehrlich, Hannes. Mir geht es gut. Höre dir bitte meinem Vorschlag an. Wir haben
doch nichts zu verlieren.“ Während ich den Plan erklärte, begann Hannes, etwas gefasster auszusehen.
Als ich mit meiner Erklärung fertig war, fing er an zu lachen: „Reinhard, das
könnten wir tatsächlich schaffen, doch dazu brauche ich deine Hilfe. Bist du
gesund genug, um heute Abend zu helfen?“
Ich versichterte ihm, dass ich in guter Verfassung wäre. Für den Rest dieses
Tages und die Nacht hindurch arbeiteten Hannes und seine Leute schwer im Feld neben
dem Palast, um alles für den Morgen vor zu bereiten. Währenddessen bat ich, dass Knuddel herbeigebracht wurde. Er ging an mir vorbei und rollte sich vor die Füßen von Hannes.
„Aha! Ich hatte also recht“, sagte da der Präsident. „Das war einmal mein Haustier,
als er sehr klein war. Als ich nach Deutschland abreiste, konnte ich es nicht
ertragen, ihn zurückzulassen. Also schmuggelte ich ihn in meiner Hose hängend
am Zoll vorbei. Während meiner drei Jahre in Harburg teilte ich meine Wohnung
mit ihm und er wuchs und wuchs. In jeder Nacht, wenn ringsherum wenige Menschen
draußen waren, nahm ich ihn zum Schwimmen mit an den Fluss. Aber weil ich in meinen Studium
schwer arbeiten musste, fing ich an, ihn allein hinauszulassen, denn er kam
ja immer brav zurück. Eines Abends kamen zwei meiner Landsleute, um mir mitzuteilen,
dass mein Vater verschieden war, dass ich jetzt Präsident sei und sofort mit
ihnen abreisen müsse. In meiner Verwirrung erinnerte ich mich erst im Flugzeug an den armen Knuddel. Ich machte mir
häufig Sorgen um ihn, bis ich von deinem Abenteuer erfuhr.“
Das erklärte also, warum ein kabombanisches grünes Krokodil in Norddeutschland
umherwanderte. Knuddel musste allein von Hamburg ganz nach Fintel gereist sein.
Aber wir hatten noch einige Arbeit vor uns. Hannes gab Knuddel Befehle und der
machte sich sofort ans Werk. Was er tat? Ah, das wirst du erfahren, wenn ich
so weit bin.
Am nächsten Morgen war alles auf dem großen Feld bereit. Da waren 500 Schafe,
die dicht in der Mitte zusammengedrängt standen und von zwei Schäfer-Krokodilen
bewacht wurden. Auf einer Seite standen 300 Krokodile bereit, um weggebracht
zu werden. Es tat mir leid, die armen Dinger so vertrauensvoll zu sehen. Auf
der anderen Seite des Feldes war eine große Grillgrube vorbereitet worden,
und man hatte gerade damit angefangen, in ihnen Hammelbraten für das Mittagessen
zu schmoren. Mehrere große Behälter waren mit Eis und Flaschenbier gefüllt ... Alles war also für den Empfang unserer Gäste bereit.
„Jetzt wird es Zeit, dass du an den Fluss hinuntergehst, Reinhard“, sagte Hannes,
„Möge Gott uns beistehen!“ Angelika kam angelaufen. „Bitte, Reinhard, rette
meine Kinder und unser geliebtes Land!“ „Ich werde mein Bestes tun“, antwortete
ich, als ich davon hinkte. Würden meine Ideen klappen? Das sollten wir bald erfahren.
Mit vier Beratern des Präsidenten erreichte ich das Flussufer. Wir konnten
Trommeln hören, die auf der anderen Seite geschlagen wurden. Dort versuchte man,
große Flöße für die Überfahrt her zu richten. Auf diese Flöße wurden von den
Polizeirowdys Menschen getrieben.
Drei geschmückte Kanus wurden ins Wasser gebracht, und in einem von ihnen konnte ich
den üblen König Elo erkennen. Vier kleine Kinder hinter sich herziehend erschienen
zwei seiner Polizisten. Sie bestiegen ebenfalls das Kanu. Mehrere andere Polizisten
setzten sich in die anderen beiden Boote. Dann fingen alle an, den Fluss zu überqueren,
gefolgt von den Flößen voller apathischer Menschen.
Kurz vor den Flößen erreichten die Kanus unser Ufer, und die Polizisten
stiegen ihre Revolver schwenkend zuerst aus und suchten in den Sträuchern nach Personen im Hinterhalt. Die
beiden Polizisten im Kanu von Elo gingen dann, die vier Kinder hinter sich herziehend, an Land.
„Oh, Reinhard! Wie schön, Sie zu sehen! Es war schrecklich da drüben!“, schrie
Jennifer. „Hal’ ’s Maul, du!“, brüllte einer der Polizisten und schlug dem Kind auf
den Kopf.
Elo, so arrogant wie immer, ging an Land, „Ah! Is mein Freun! Aber, bitte, wo
ist Dumm Johannes und all mein Geschenken?“
Ich erklärte: „Der Präsident hat alle Ihre Geschenke außerhalb des Palasts aufstellen
lassen, wo es für einen König wie Sie passend ist, in Emfang zu nehmen, was ihm gebührt.
Er hat auch eine Menge Hammelbraten und Bier für Sie und Ihre Leute vorbereiten lassen, die Sie nach der Übergabe
erhalten. Ich und die Berater sollen Sie nach dorthin
bringen. Bitte nehmen Sie auch alle Ihre Leute mit.“ Inzwischen waren die
Flöße angekommen und die Menschen, die auf ihnen herüber gekommen waren, standen
dort und sahen sehr beunruhigt aus.
„Schön, schön. Wir gehn mit. Aber keine Tricks, oder ich brech dich beide
Arme. Ich find die blaue Flecken auf dein Gesicht schön. Willsu, dass ich
mach mehr?“ Mit diesen Worten stolzierten Elo und seine Bande die Kinder mit sich
reißend hinter uns her. Es folgten ihnen ihre bedauernswerten Untertanen als
Zeugen des bevorstehenden Triumphs ihres Königs. Polizisten schlugen sie, wenn sie meinten,
dass sie sich zu langsam bewegten. Ich hatte wirklich Mitleid mit den armen Menschen.
Bald erreichten wir das Feld beim Palast. Elo brüllte vor Freude, als er
die Schafe sah, aber noch lauter brüllte er, als er all die Krokodile erblickte. „Heute
abend ess ich sehr, sehr gut“, kicherte er, „Dumm Johannes, ich, dein Herrscher,
is hier für meine Geschenken.“ „Geben Sie mir meine Kinder wieder und Sie sollen
sie haben“, antwortete Johannes. „Ach, nein! Zuerst muss ich mir meine Geschenken
ankucken un sehn, dass alles da is.“ Entschlossen marschierte Elo zu den Schafen, geradeso, wie ich es
erhofft hatte. „Ers will ich zähln. Polizeien, bring die
Kinders hier bei mich! Ein, zwei, drei, vier, eeeeeehhh … sieben. Königs brauch
nicht Sachen zähln. Ihr Polizeien tut es für mich!“
Einer der Polizisten, die die Kinder hielten, begann nun, laut zu zählen, um zu überprüfen,
ob wirklich fünfhundert Schafe in der Herde sind. Während er zählte, musste sich der andere
Gangster unter den Tieren bewegen und die Kinder wurden auch mitgeschleppt.
Da meinte ich, der Augenblick sei da … „Knuddel, woo woyn siin nuuu!“ schrie ich, und es geschah etwas
Erstaunliches.
Es regnete einen mächtigen Schauer loser Erde unter einem der Schafe und das
wurde in the Luft geschleudert. Doch es war nur ein Schaffell und darunter hatte sich
Knuddel die ganze Nacht lang in einer langen, seichten Grube versteckt, die er gegraben
hatte. Nun stürmte er hervor und schlug dabei einen der Polizisten mit seiner Nase
zu Boden und einen anderen mit einem Schwanzschlag, genau, wie wir es in der
vorhergehenden Nacht geübt hatten. Zur gleichen Zeit rief Hannes Befehle und
die dreihundert Krokodile eilten zur Kampfszene und griffen die anderen Polizisten
an. Er schrie den Kindern zu: „Rennt zu eurem Vater!“ und sah voller Freude, dass
sie ihm in die Arme liefen. Nun sah ich Angelika auf sie zu rennen und
war so froh, dass ich dem anderen Geschehen um mich herum gar keine Aufmerksamkeit
mehr schenkte.
Ohne Vorwarnung wurde ein Arm fest um meinen Hals gedrückt. Ein riesiger
Revolver wurde mir ins Gesicht gestoßen. Ich konnte den Angreifer nicht
sehen, doch seiner Stimme entnahm ich, dass es der üble König war. „Du, du
sehr schlechter, dummer Mann! Jetz ich dein Kopf abschießen, wenn du nich
zu das Krokodil rufen, soll Dumm Johannes angreifen.“ Ich musste sehr schnell
denken, während er den Druck um meinen Hals lockerte. „Oh, großer König“,
flüsterte ich, „ich kann überhaupt nicht rufen, weil Sie meine Luftröhre beschädigt
haben. Ich sage Ihnen den Befehl, und Sie können ihn dann rufen. Er muss allen Befehlen
folgen.“ „Denn flüster mich un vielleich ich nich schieß dich später“, brüllte
Elo.
Ich flüsterte den nötigen Befehl, und er warf mich zu Boden. Er brüllte lachend:
„Knuddel, woo woyn siin hinn!“ Wir wissen ja inzwischen alle, was das bedeutet, nicht
wahr? Ehe er seinen Revolver abschießen konnte, war Knuddel zu dem Schuft hingeeilt
und hatte diesem mit einem Schlag seines Schwanzes weit weg geschlagen. Seine
Kiefer machten KLACK, als er nach Elo schnappte, der sich erschrocken umwandte und wegrannte.
Knuddel riss dem König seinen Hosenboden heraus, und die Leute lachten, als
er mit bloßem Hintern daher rannte und verzweifelt versuchte, zu flüchten.
Kabombanische Krokodile laufen besonders schnell und Elo lag bald am Boden mit
Knuddel, der bereit war, ihn zu fressen. Hannes rief rasch einen Befehl und Knuddel
wich zurück, behielt den König jedoch misstrauisch im Auge. Ich hörte lauten Lärm und drehte
mich um. Dabei sah ich, wie die Untertanen des Königs Elo die Polizisten verprügelten,
die den Krokodil-Angriff überlebt hatten. Elo selbst wurde von vier Wächtern
des Präsidenten ergriffen und zusammen mit seinen Polizisten rasch zum Gefängnis
geschafft. Das eloidische Volk begann zu tanzen und zu lachen. Es war das erste
Mal, dass wir diese Menschen fröhlich sahen. „Wir sind frei!“, schrien sie immer wieder. „Oh, danke! Danke!“
„Sobald meine Kinder und mein Freund Reinhard sich gewaschen und umgezogen haben,
werden wir dieses vorbereitete Festessen genießen“, lachte Hannes. „Ihr Eloideer
dürft mit uns feiern. Wir haben auch einige alkoholfreie Getränke.“ Und so wurde
ein anfänglich tragisch scheinender Tag mit großem Frohsinn beendet.
Hannes versprach den Eloideern, er würde ihnen helfen, Schulen und Krankenhäuser
zu bauen. Sein Volk sollte ihnen auch Kenntnisse in der Landwirtschaft beibringen.
Sie waren alle sehr froh, als sie in der Nacht, beladen mit Geschenken und
mit dem Gedanken an eine glückliche Zukunft, über den Fluss setzten.
Der Rest meines Aufenthalts in Kabombaland war wunderbar. Hannes verlieh an mich
den Orden des Goldenen Grünen Krokodils, die höchsten Auszeichnung seines Landes.
Viel wichtiger war es aber für mich, dass er mich zum Onkel seiner Kinder ernannte.
Sie alle meinten, dass sei eine großartige Idee, und ich versprach, dass sie
mich in Deutschland besuchen dürfen.
Und der böse König Elo und seine Bande? Hannes entschied, dass die gerichtliche
Verfolgung ihrer Verbrechen für ihn zu ernst wären. Deshalb lieferte er
sie nach den Niederlanden aus, damit sie vor dem Weltgerichtshof zu erscheinen. Während
ich dieses schreibe, werden sie dort im Gefängnis festgehalten und erwarten ihre
Verhandlung. Ich soll als Zeuge aussagen, wenn der Fall zur Verhandlung bereit ist.
Mein Aufenthalt in Kabombaland näherte sich seinem Ende zu. Doch was sollte aus Knuddel
werden? Er und ich bereisten das ganze Land, und alle waren begeistert
von seinem Tanzakt. Es wäre wirklich traurig, wenn ich ihn zurücklassen müsste.
Am letzten Tag meines Aufenthalts rief der Präsident zu einer Volksversammlung
auf. Vor dieser Versammlung sagte er zu mir: „Du musst verstehen, Reinhard,
dass es nach unseren alten Gesetzen ein Vergehen ist, wenn jemand, der kein
Kabombaner ist, eines unserer Krokodile besitzt. Du als Deutscher bist daher
nicht dazu berechtigt, Knuddel mit nach Hause zu nehmen.“ Ich war sehr traurig
und bekam bei seiner Erklärung feuchte Augen. Aber was war das?
Hannes fuhr nämlich fort: „In Anerkennung deines Mutes und deiner selbstlosen Hilfe ernennen
wir, das Volk von Kabombaland, dich hiermit zum lebenslangen Ehrenbürger unserer
Nation. Wenn es ihm recht ist, darf Knuddel somit mit dir nach Hause zurückkehren. Wir überreichen dir einen Goldenen Pass für unsere Luftfahrtgesellschaft,
so dass du und er in eure andere Heimat kommen könnt, wann immer es euch
gefällt.“ Alle jubelten, und wir feierten ein weiteres großes Fest, vorläufig
mein letztes.
Am nächsten Morgen bestieg ich mit Knuddel, der hinter mir hertrabte, das Flugzeug.
Nach einem weiteren angenehmen Flug waren wir bald wieder zu Hause in Fintel mit vielen
Geschenken für Lisa Marie und für alle unsere anderen Freunde
Und
das war das Ende unseres zweiten Abenteuers.