ines der bekannteren traditionellen niederdeutschen („plattdeutschen“) Lieder
meiner Geburtsstadt Hamburg ist »Jan Hinnerk« (niederdeutsch für „Johannes
Heinrich“). Es ist auch an der gesamten deutschen Ostseeküste und angeblich
bis in die Ostteile der Niederlande bekannt.
Die
meisten
Menschen
halten
es für
ein
Volkslied über
einen Mann mit der Fähigkeit, magisch Dinge und Menschen zu erschaffen.
Ich behaupte nicht, dass wir heute alle Metaphern verstehen, die zur
Zeit
der Erschaffung
des Lieds Bedeutung hatten. Bevor ich jedoch weiter unten das eigentliche
Lied vorstelle, kann ich ein wenig mehr als allgemein bekannt darüber
mitteilen. Ich habe allerdings mindestens so viele Fragen wie Antworten.
Hamburgs
Bürgerwache marschiert im Jahr 1800 am Dammtor, sechs Jahre vor
Napoléons ersten von zwei Besetzungen des „freien“ Stadtstaats.
(Aquarellmalerei von C. Suhr)
Von seinem Inhalt her wissen wir über das Lied eins: Es wurde irgendwann
nach 1799 geschaffen, dem Jahr, in dem sich Napoléon Bonaparte I selbst
zum Kaiser krönte,
und irgendwann vor 1806, dem am frühsten bekannten Jahr, in dessen Zusammenhang
dieses Lied zuerst schriftlich erwähnt wurde.
Verwunderung,
Verhöhnung, Furcht
Es handelt
sich um eine Zeit, in der die schamlose Selbstverherrlichung Napoléons
in ganz Europa Verwunderung und Verhöhnung hervorrief – Verwunderung und Verhöhnung vermischt mit Furcht.
Der Erschaffer des Lieds ahnte wohl nicht, dass Napoléons Truppen Hamburg in
Kürze zweimal besetzen würden: 1806–1813 und 1813–1814 – eine kurze Besatzungszeit verglichen mit anderen Gebieten,
doch eine umso unbarmherzigere. Oder? Schuf er oder sie das Lied, als
die Truppen gerade
hereinmarschiert
kamen, oder nachdem sie bereits hereinmarschiert waren? War es ein Protestlied
unter der Besatzung?
In dem Lied hören wir, wie verschiedene Europäer ihre Empörung ausdrücken und
wie schließlich ein Hanseat den Tod Napoléons verlangt.
Wer war dieser mächtige Jan?
Wer
aber war dieser mächtige Jan? Irgendein Typ mit übernatürlichen
Fähigkeiten? Eigentlich schon. Es handelt sich sozusagen um Hamburgs
Schutzgeist, Hamburgs derzeitigen Golem. Er scheint die Verkörperung
des „Isernen Hinnerk“
(„Eisernen Heinrichs“) zu sein, ein einst unbezwingliches Bollwerk, das
den Stadtstaat von 1587 bis 1728 beschützte. Befand es sich an einer
„Lammerstraat“ genannten Straße? Einer anderen Quelle nach war der „Iserne
Hinnerk“ ein im Jahr 1548 erbauter, auch als „Blauer Turm“ bekannter
Turm in der Nähe des heutigen Gänsemarkts in der Hamburger Innenstadt.
War
es eine aus Bollwerk und Wachturm bestehende Verteidigungsanlage?
Diese
Erkenntnis könnte andeuten, dass das Lied bereits vor der Invasion bestand,
als noch Hoffnung auf erfolgreiche Abwehr der französischen Streitkräfte
bestand.
Handelt
es sich hier um den Blauen Turm und das Bollwerk namens Isern Hinnerk im Nordosten der Nikolaikirche? (von einer Hamburger Ansicht von Braun and
Hogenberg, zwischen 1572 und 1618, Wikimedia Commons)
Könnte es sein, dass der im Lied erwähnte Name „Jan Hinnerk“ als „Isern Hinnerk“
begann? Oder – und hier handelt es sich zugegebenermaßen um eine
dreiste Spekulation – sollte vielleicht die englisch anmutende, obgleich
falsch ausgesprochene Namenvariante „Iron Hinnerk“ Hoffnung auf Großbritanniens
Rettung ihres wichtigen Handelspartners ausdrücken?
Vive
l’Empereur « Napolium »!
»Prospekt
der Kaiserlich Französischen Stadt Hamburg«, Aquarell von Johann Marcus David, 1811 (Wikimedia Commons)
Tatsächlich
war nach ihrem Einmarsch eine der ersten Maßnahmen der französischen
Besatzungmacht, den gesamten Handel mit Großbritannien zu unterbinden
und alle sich zur der Zeit in Hamburg befindlichen britischen Waren zu
beschlagnahmen, zudem jegliches Silber im Besitz der Hamburger Bank (eine
Maßnahme, die
Napoléon für eine passende Bestrafung für eine Kaufmannstadt
gehalten haben soll). Hamburg war nun ein „arrondisement“ innerhalb des
„Département
des Bouches de l’Elbe“ (Elbmündungs-Departement), während ein Bündnis
von größtenteils deutschen, russischen und schwedischen Truppen die Stadt
belagerte. Es wurde von Hamburger Familien gefordert, die Soldaten Napoléons
einzuquartieren. Häuser wurden abgerissen, um Schießgelände zu schaffen,
und ihre Einwohner wurden fortgejagt. Zu Pferdeställen gemacht wurden
die Hauptkirchen dieser größtenteils lutherischen Stadt, die Tausende
von niederländischen und französischen Protestanten Zuflucht gewährt
hatte. In ihrer Verzweiflung flohen viele Menschen ins damals benachbarte
dänische Hoheitsgebiet, in vielen Fällen nur einen kurzen Weg zu Fuß
entfernt. Andere
betrieben
Schmuggel über die Grenze, um für den Verlust des Handels mit Großbritannien
und anderen Gebieten zu kompensieren.
Katrin … Katharina … Die Katharina?
Die ältere
Katharina die Große, die den Thron ihres inkompetenten, ebenfalls
norddeutschen Gattens Zar Peter III übernommen hatte (gemalt von Wladimir Borowikowskij, Wikimedia Commons)
Hatte
Jans Liebling Katrin vielleicht etwas mit erhoffter Hilfe aus Russland
zu tun, dem Land der nur wenige Jahre
zuvor verstorbenen norddeutschen Katharina II (1729–1796) – „Katharina II die Große, Kaiserin und Autokratin aller Russen Länder, Mutter des
Vaterlands, et cetera, et cetera“ (Екатерiна II, Велiкая, Императрица и Самодержица Всероссiйская, Мать Отечества,
и так далее, и так далее ...)?
Es waren russische Truppen unter dem deutschen General Graf Levin August
Theophil von Bennigsen (Леонтий Леонтьевич Беннигсен), die Hamburg schließlich
befreiten.
Die französischen Soldaten verschwanden, aber einige französische Lehnwörter
und das Lied »Jan Hinnerk« blieben.
Jan
Hinnerk wahnt op de
Lammer-Lammerstraat,
Lammer-Lammerstraat,
kann maken wat he will,
kann maken wat he will. Swieg
man jümmer, jümmer still,
aver jümmer, jümmer still! Un
daar maakt he sick een Geigeken,
Geigeken perdautz! Vigolin,
Vigolin sä dat Geigeken,
Vigolin, Vigolin sä dat Geigeken.
Un Vigo-Vigolin, un Vigo-Vigolin,
un sien Deern, de heet Katrin,
un sien Deern, de heet Katrin,
un sien Deern, de heet Katrin.
Un daarbi wahnt he noch jümmer op de
Lammer-Lammerstraat,
Lammer-Lammerstraat,
kann maken wat he will,
kann maken wat he will. Swieg
man jümmer, jümmer still,
aver jümmer, jümmer still! Un
daar maakt he sick een Hollandsmann,
Hollandsmann perdautz!
Gottsverdorri! Gottsverdorri!
sä de Hollandsmann
Vigolin, Vigolin sä dat Geigeken.
Un Vigo-Vigolin, un Vigo-Vigolin,
un sien Deern, de heet Katrin,
un sien Deern, de heet Katrin,
un sien Deern, de heet Katrin.
Un daarbi wahnt he noch jümmer op de
Lammer-Lammerstraat,
Lammer-Lammerstraat,
kann maken wat he will,
kann maken wat he will. Swieg
man jümmer, jümmer still,
aver jümmer, jümmer still!
Un daar maakt he sick een Engelsmann,
Engelsmann perdautz! Damn
your eyes! Damn your eyes! sä
de Engelsmann
Gottsverdorri! Gottsverdorri! sä
de Hollandsmann
Vigolin, Vigolin, sä dat Geigeken. Un
Vigo-Vigolin, un Vigo-Vigolin,
un sien Deern, de heet Katrin, un
sien Deern, de heet Katrin, un
sien Deern, de heet Katrin.
Un daarbi wahnt he noch jümmer op de
Lammer-Lammerstraat,
Lammer-Lammerstraat,
kann maken wat he will,
kann maken wat he will. Swieg
man jümmer, jümmer still,
aver jümmer, jümmer still!
Un daar maakt he sick een Spanischmann,
Spanischmann perdautz!
Caracho Caracho! sä de Spanischmann
Damn your eyes, Damn your eyes, sä
de Engelsmann.
Gottsverdorri! Gottsverdorri! sä
de Hollandsmann
Vigolin, Vigolin, sä dat Geigeken.
Un Vigo-Vigolin, un Vigo-Vigolin,
un sien Deern, de heet Katrin, un
sien Deern, de heet Katrin, un
sien Deern, de heet Katrin.
Un daarbi wahnt he noch jümmer op de
Lammer-Lammerstraat,
Lammer-Lammerstraat,
kann maken wat he will,
kann maken wat he will.
Swieg man jümmer, jümmer still,
aver jümmer, jümmer still!
Un daar maakt he sick een Napolium,
Napolium perdautz!
Ick bün Kaiser, ick bün Kaiser, sä
Napolium.
Caracho Caracho! sä de Spanischmann
Damn your eyes, Damn your eyes, sä
de Engelsmann.
Gottsverdorri! Gottsverdorri! sä
de Hollandsmann
Vigolin, Vigolin, sä dat Geigeken.
Un Vigo-Vigolin, un Vigo-Vigolin,
un sien Deern, de heet Katrin, un
sien Deern, de heet Katrin, un
sien Deern, de heet Katrin.
Un daarbi wahnt he noch jümmer op de
Lammer-Lammerstraat,
Lammer-Lammerstraat,
kann maken wat he will,
kann maken wat he will.
Swieg man jümmer, jümmer still,
aver jümmer, jümmer still!
Un daar maakt he sick een Hanseaat,
Hanseaat perdautz!
Sla em doot, sla em doot, sä
de Hanseaat.
Ick bün Kaiser, ick bün Kaiser, sä
Napolium.
Caracho Caracho! sä de Spanischmann
Damn your eyes, Damn your eyes, sä
de Engelsmann.
Gottsverdorri! Gottsverdorri! sä
de Hollandsmann
Vigolin, Vigolin, sä dat Geigeken.
Un Vigo-Vigolin, un Vigo-Vigolin,
un sien Deern, de heet Katrin, un
sien Deern, de heet Katrin, un
sien Deern, de heet Katrin.
John Henry who lives on
Lambert, Lambert Street,
Lambert, Lambert Street
Can make whatever he will,
Can make whatever he will.
Keep it quiet! Keep it still,
Always quiet, always still!
So he made himself a violin,
Violin. Voilà!
“Violin, Violin!” said the violin,
“Violin, Violin!” said the violin,
And vio-violin, and vio-violin,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine.
And he goes on living on
Lambert, Lambert Street,
Lambert, Lambert Street,
And can make whatever he will,
Can make whatever he will.
Keep it quiet! Keep it still,
Always quiet, always still!
So he made himself a Hollandman,
Hollandman. Voilà!
“Godverdorri! Godverdorri!”
said the Hollandman,
“Violin, Violin!” said the violin,
And vio-violin, and vio-violin,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine.
And he goes on living on
Lambert, Lambert Street,
Lambert, Lambert Street,
And can make whatever he will,
Can make whatever he will.
Keep it quiet! Keep it still,
Always quiet, always still!
So he made himself an Englishman,
Englishman. Voilà!
“Damn your eyes! Damn your eyes!”
said the Englishman
“Godverdorri! Godverdorri!”
said the Hollandman,
“Violin, Violin!” said the violin,
And vio-violin, and vio-violin,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine.
And he goes on living on
Lambert, Lambert Street,
Lambert, Lambert Street,
And can make whatever he will,
Can make whatever he will.
Keep it quiet! Keep it still,
Always quiet, always still!
So he made himself a Spanishman,
Spanishman. Voilà!
“¡Carajo! ¡Carajo!” said the Spanishman
“Damn your eyes! Damn your eyes!”
said the Englishman
“Godverdorri! Godverdorri!”
said the Hollandman,
“Violin, Violin!” said the violin,
And vio-violin, and vio-violin,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine.
And he goes on living on
Lambert, Lambert Street,
Lambert, Lambert Street,
And can make whatever he will,
Can make whatever he will.
Keep it quiet! Keep it still,
Always quiet, always still!
So he made himself a Napolium,
Napolium. Voilà!
“I am emp’ror! I am emp’ror!”,
said Napolium.
“¡Carajo! ¡Carajo!” said the Spanishman
“Damn your eyes! Damn your eyes!”
said the Englishman
“Godverdorri! Godverdorri!”
said the Hollandman,
“Violin, Violin!” said the violin,
And vio-violin, and vio-violin,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine.
And he goes on living on
Lambert, Lambert Street,
Lambert, Lambert Street,
And can make whatever he will,
Can make whatever he will.
Keep it quiet! Keep it still,
Always quiet, always still!
So he made himself a Hanseat,
A Hamburg Hanseat.
“Kill him dead! Kill him dead!”
said the Hanseat.
“I am emp’ror! I am emp’ror!”,
said Napolium.
“¡Carajo! ¡Carajo!” said the Spanishman
“Damn your eyes! Damn your eyes!”
said the Englishman
“Godverdorri! Godverdorri!”
said the Hollandman,
“Violin, Violin!” said the violin,
And vio-violin, and vio-violin,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine,
And his love’s name was Cath’rine.