Die
mecklenburgische
Treckfiedel
von
Hannelore Hinz (alias „Treckfiedel-Hanne“)
Schwerin, Deutschland, 2008
In
einem Mecklenburger Erntelied (in der Mundart von Kreis Malchin) heißt
es:
Allens is vergäten,
wat uns dag’s hett quäält,
wenn uns’ Vadding abends
de Treckfiedel* späält.
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„Treckfiedel-Hanne“ (Hannelore
Hinz, die Autorin) mit einer ihrer Teckfiedels
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„Treckfiedel.“ Was verbirgt sich hinter diesem Wort?
Es handelt sich um die Harmonika. Aber dieses bei ländlicher
Vergnügungen und kleinen häuslichen Festen beliebte Musikinstrument
wird auch mit dem volkstümlichen niederdeutschen Wort Treckfiedel benannt.
Früher, um 1889, galt die Kurzform Monika auf
der Insel Poel.
Treckfiedel heißt zwar soviel
wie Ziehharmonika, aber Fiedel bedeutet „Violine“, „Geige“, und trecken bedeutet „ziehen“.
Der
Harmonika hat man im Niederdeutschen viele Namen angedichtet, außer Treckfiedel beispielsweise auch Treckharmonika (Ziehharmonika), Treckbüdel (Ziehbeutel, evtl. Vergleich mit dem Dudelsack), Treckkasten (Ziehkasten, der Form wegen), Handmonika (Handharmonika), Quetschfiedel, Quetschkasten und Quetschkommod, d.h. wir müssen den Balg drücken, eigentlich zusammendrücken, aber auch ziehen.
Die Harmonika erhielt unter Tagelöhnern außerdem den Namen Daglöhnerörgel (Tagelöhnerorgel),
denn sie war das Musikinstrument der armen Leute. Diese Aufzeichnungen
verdanken wir dem Volkskundler Richard Wossidlo, den das Volk liebenswert
„Perfesser Voßlo“ nannte.
Eine
der Treckfiedels der Autorin, ein 90–100 Jahre altes „wiener“ Modell mit Gleichton und einer zusätzlichen kurzen Knopfreihe.
Bitte klicken Sie unten, um den von der Autorin gespielten Windmöllerdanz zu
hören (oder hier klicken und herunterladen).
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Heutzutage spielen auch die Städter gern auf diesem Instrument,
und dazu gehöre ich.
Nachweislich hat die Ziehharmonika nach gut sechzig Jahren
ihrer Erfindung ihren Platz auch in Mecklenburg gefunden.
Die erste Ziehharmonika, wenn auch umstritten, hat 1822
Friedrich Buschmann gebaut. Er nannte sie auch „Handäoline“. Die Mundharmonika,
die er 1821 auch erfunden haben soll, nannte er „Mundäoline“.
Hier
handelt es sich auch um eine der Treckfiedels der Autorin, diese etwa 90 Jahre alt und ohne Gleichton
Bitte klicken Sie unten, um den von der Autorin gespielten Mecklenburger
Walzer zu hören (oder hier klicken und herunterladen).
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Die ersten Musikinstrumente waren einreihig und diatonisch.
Sie waren noch keine Wiener und hatten keinen Gleichton (d.h. einen
Knopf, der in beiden Zugrichtungen den gleichen Ton erzeugt).
Als Schulkind besaß ich so eine einreihige Ziehharmonika
in C-Dur mit den Bässen C/G, c/g und A/D, a/dmoll.
Der Mecklenburger hört es ungern, wenn Fremde seine Ziehharmonika
für ein Akkordeon oder gar Schifferklavier halten. „Dat is ’ne Treckfiedel“,
würde er mit Stolz sagen.
Diese Treckfiedel ist
die neueste und normalerweise gespielte der Autorin.
Bitte klicken Sie unten, um eine von der Autorin gespielte Probe
zu hören
(oder hier klicken und herunterladen).
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Was verstehen wir nun unter „diatonisch“? Bei Zug und
Druck des Balges und gleichzeitigem Drücken eines Knopfes entsteht
ein unterschiedlicher Ton, also ein Wechselton.
Hier ein Beispiel: Drücke ich den Balg und den Knopf für
den Ton C', so ertönt auch dieser Ton. Wenn ich nun den Balg ziehe,
höre ich den Ton D'. Aber drückt man C'', ertönt beim Ziehen des Balges
H'. Also geduldig üben.
Die diatonische Spielweise erschwert das Erlernen, aber
eines Tages erfühlt man die zu spielenden Töne und es erklingt Treckfiedel-Musik, die sich wieder großer Beliebtheit erfreut.
Hanne
(links) mit ihrer Treckfiedel und drei anderen mecklenburgischen
Originalen vor dem Brunnen des schweriner Schlachtermarkts
namens „Von Herrn Pasturn sien Kauh“ (nach dem beliebten niederdeutschen Volkslied)
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Die Instrumentenbauer schufen immer mehr neue und besser
zu bespielende Instrumente.
1829 konnte man schon auf einer Wiener mit Gleichton musizieren.
Auf meiner Wiener Treckfiedel befindet
sich auf der F-Dur-Reihe die C''-Taste als Gleichton beim Drücken und
Schieben.
„Laat de Fiedel un Fläuten gahn!“ („Lasst die Geige und
Flöten erklingen!“) Und zu diesen Instrumenten gesellte sich die Gaushals („Gänsehals“, Klarinette), die Bassgeige und die Treckfiedel.
Quelle:
Wossidlo, Richard und Hermann Teuchert: Wossidlo-Teuchert
mecklenburgisches Wörterbuch, mit Unterstützung der Mecklenburgischen Landesregierung, der Mecklenburgischen
Landes-Universitäts-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
1937-, in Arbeit. SJL PF5682.W93
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