Estuary English

„Estuary English“ (von estuary ‚Mündung‘), oder „Popular London English“ (‚Allgemeines Londoner English‘), ist eine in London und im Südosten Englands gesprochene Form der englischen Sprache und gewinnt gegenwärtig Boden als die neue „Standard“-Form der englischen Sprache Englands, indem es von vielen Reportern, Politikern und Prominenten gesprochen wird. Der Akzent beruht hauptsächlich auf dem des Cockney-Englischen Londons, allerdings ohne die am meisten „verpönten“ Merkmahle des letzeren. Im Laufe der Entwicklung des Standard-Englischen (RP) in einem Dreieck zwischen London, Oxford und Cambridge wurden viele der Mundarten dieses Gebiets in die standardisierte Sprachform aufgenommen. Aus diesem Grund hat Estuary (English) nicht viele besondere Dialektwörter, aber der Akzent unterscheidet sich oftmals von dem des RP. Im Folgenden einige Hauptunterschiede:

Glottalisierung
Dies bezieht sich auf das Umwandeln eines „t“-Lauts in einen Stimmritzenverschlusslaut; z.B. get > „ge’“ (,bekommen’, ‚kriegen’). (Im Cockney betrifft dies auch ein zwischen Vokalen stehenden „t“ [„be’er“ statt better (‚besser’)].)

L-Vokalisierung
Dies bedeutet die Umwandlung von einem „l“ vor einem Konsonanten, oder von einem „l“ am Ende eines Satzes oder Satzglieds, in einen „w“- oder „u“-artigen Laut; z.B. milk > „mi-wk“ (‚Milch’), hell > „he­w“ (‚Hölle’), aber hell and back > „hell am back“ (‚Hölle und zurück’). (Das „l“ wird ausgesprochen weil ihm ein „a“ folgt.) Zufolge der L-Vokalisierung gibt es viele Fälle, in denen die Aussprache verschiedener Wörter zusammenfällt, wenn ihnen kein Vokal folgt. Beispielsweise sind fool (‚Narr’), full (‚voll’) und fall (‚fall(en)’) als „fu-w“ gleichlautend, werden allerding vor einem Vokal wie im RP ausgesprochen. Fail (‚fehlschlagen,’ ‚versäumen’), und foul (‚widerlich’) erhalten die Aussprache „fow“ (dass sich mit now ,nun’ reimt), wenn ihnen kein Vokal folgt, werden aber vor einem Vokal wie im RP ausgesprochen.

Die „or“-Spaltung
Dies bezieht sich auf den Laut „or“ im RP, wie in bought (‚kaufte,’ ‚gekauft’) und door (‚Tür’). (Da ein „r“ in dieser Stellung nicht ausgesprochen wird, ist im RP-Englischen die Aussprache der beiden Wörter dieselbe.) Im Estuary hat sich dieses „or“ des RP je nach seiner Stellung gespalten. Enthält ein Grundwort diesen Laut gefolgt von einem Konsonanten, so wird es als „u-w“ ausgesprochen. Folgt dem Laut kein Konsonant, so wird es wie im RP als „or“ ausgesprochen. Somit wird door wie im RP ausgesprochen, corn (‚Korn,’ ‚Getreide’) jedoch also „cu-wn.“ Dies führt zu interessanten Ausspracheunterschieden zwischen bored (‚gelangweilt’) und board (‚Brett,’ ‚Tafel’), die im RP gleichlautend sind. Da bored vom Wort bore (‚bohren,’ ‚langweilen’) hergeleitet ist, hat es, wie im RP, die Aussprache „bord.“ Dagegen wird board wegen des bereits ursprünglich anwesenden Konsonanten „bu-wd“ ausgesprochen (somit gleichlautend mit Estuary bald [‚kahl’]!).

Palatisierung
Wenn ein „t“ einem „u“ („yu“) oder einem „r“ vorangeht, wird es „ch“ (also wie deutsch „tsch“) ausgesprochen. Die Verbindungen „stu“ und „str“ werden respektive „shchu“ und „shchr“ ausgesprochen; z.B. Tuesday = „Choozdi“ (‚Dienstag’), train = „chrain“ (‚Zug’), stupid = „shchupid“ (‚dumm’), string = „shchring“ (,Faden’).

Verbindungslaute
Im Estuary gibt es etliche Verbindungslaute, die, obgleich sie im Englischen Englands verbreitet sind, in anderen Mundarten des Englischen selten vorkommen. Verbindungs-y (also wie ein deutsches j): me and you = „meyan yu“ (‚ich und du’), high up = „hiyupp“ (,hoch oben’), AAA = „AyAyA“ (.AAA’). Verbindungs-w: you and me = „yuwan me“ (‚du und ich’), do it again = „dowi’ agen“ (‚tu es nochmal’). Verbindungs-r: Canada is ... = „Canadariz ...“ (‚Kanada ist ...’), drawing = „drorin“ (‚Zeichnung’).

I howp youv injoid this littuw look a’ Eshchry Ingglish.
(Ich hoffe, diese kleine Einführung ins Estuary English hat Ihnen gefallen.)

Autor: Gary Taylor, Berlin, Deutschland, 2002
Übersetzer: Reinhard F. Hahn, Seattle, USA

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